1.
Weihnachten
von Joseph von Eichendorff
Markt und Straßen stehn verlassen,
still erleutchtet jedes Haus,
sinnend geh ich durch die Gasen,
alles sieht so festlich aus.
An den Fenstern haben Frauen
Buntes Spielzeug from geschmückt,
tausend kindlein stehn und schauen,
sind so wunderstill beglückt.
Und ich wandre aus den Mauern
bis hinaus ins frei Feld,
Hehres Glänzen heil'ges Schauern !
Wie so weit und still die Welt !
Sterne hoch die Kreise schlingen,
Aus des Schneees Einsamkeit
Steigt's wie wunderbares Singen -
O du gnadenreiche Zeit !
2.
Advent
von Rainer Maria Rilke
Es treibt der Wind im Winterwalde
Die Flockenherde wie ein Hirt,
Und manche Tanne ahnt, wie balde
Sie fromm und lichterheilig wird,
Und lauscht hinaus. Den weißen Wegen
Streckt sie die Zweige hin- bereit,
Und wehrt dem Wind und wächst entgegen
Der einen Nacht der Herrlichkeit.
3.
Alles still!
von Theodor Fontane
Alles still! Es tanzt den Reigen
Mondenstrahl in Wald und Flur,
Und darüber thront das Schweigen
Und der Winterhimmel nur.
Alles still! Vergeblich lauschet
Man der Krähe heisrem Schrei.
Keiner Fichte Wipfel rauschet,
und kein Bächlein summt vorbei.
Alles still! Die Dorfeshütten
Sind wie Gräber anzusehn,
Die, von Schnee bedeckt, inmitten
Eines weiten Friedhofs stehn.
Alles still! Nichts hör ich klopfen
Als mein Herze durch die Nacht-
Heiße Tränen niedertropfen
Auf die kalte Winterpracht.